Das Cholerahaus
Als sich 1831/32 eine der großen Cholera Pandemien des 19. Jahrhunderts in Europa
ausbreitete, ergriff man auch in Kassel Gegenmaßnahmen. Über die Ansteckungswege der
Cholera (Brechdurchfall), einer aus Asien eingeschleppten bakteriellen Infektionskankeit, war
kaum etwas bekannt; erst später wurde verunreinigtes Trinkwasser als Hauptinfektionsquelle
festgestellt und 1883 dann durch Robert Koch der Erreger identifiziert. Die Seuche, die sich
schnell verbreitete und zahlreiche Opfer forderte, löste in Europa und auch Nordamerika wegen
der fehlenden wirksamen Gegenmittel in der Bevölkerung Ängste, Panik und Unruhen aus.
Wie überall wurde 1832 auch im Kurfürstentum Kassel zu den gängigen Seuchenschutzmaßnahmen durch Abriegelung der Landesgrenzen , Isolierung und Quarantäne gegriffen. Als einen dafür geeigneten Ort in Kassel bzw. Wilhelmshöhe bestimmte man die Scheune der ehemaligen Schweizerei von „Montchéri“, da sie sich weit abgelegen von allen Siedlungen und auch vom Schloss befand. Bis 1826 hatte hier die Witwe des Hofgärtners Sennholz die Milchwirtschaft zur Belieferung des kurfürstlichen Hofes geleitet, dann war der Betrieb nach Mulang verlegt worden. Die kleine Hofanlage mit Landhaus und Nebengebäuden hatte ursprünglich der Oberstallmeister und zeitweilige Minister Julius von Wittorf um 1784 erbaut und „Juliusstein“ genannt. 1797 kaufte es ihm Landgraf Wilhelm IX. (später Kurfürst Wilhelm I.) ab und benannte es in „Montchéri“ um.
Aus einer Zeichnung von August 1832 in der Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel ist zu ersehen, dass in dem Scheunengebäude von „Montchéri“ vier Krankenstuben, eine Küche, ein Bad, eine Wärterstube sowie eine Totenkammer eingerichtet wurden. Nachdem di e Cholera trotz aller Schutzmaßnahmen im Spätsommer 1832 Hessen und Kassel erreicht hatte, erwies sie sich jedoch glücklicherweise als nicht so gravierend wie zuvor befürchtet. In ganz Nordhessen gab es 90 Opfer , während etwa in Preußen im Zeitraum von 183 1/32 rund 41.000 Menschen starben.
Die gefürchtete Epidemie trat 1850 und 1866 nochmals in Kassel auf und forderte weitere Menschenleben, aber das Cholerahaus in „Montchéri“ war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr vorhanden, da es bereits 1839 abgebroche n worden war. Wer heute das Gelände nördlich des Neuen Wasserfalls im Bergpark Wilhelmshöhe besucht, erkennt noch gut das Plateau, auf dem die Bauten gestanden haben und versteht angesichts des schönen Blicks über die Riedwiesensiedlung nach Kirchditmold d ie Standortwahl des Ministers von Wittorf.
(Text: Gerd Fenner)