Mein Lieblingsbaum

Von Anne Fingerling | Buchautorin von „Sagenhafte Wilhelmshöhe“
Nr. 403 Süntel-Buche, lat. Fagus silvatica L. `Tortuosa´

Die Frage nach meinem Lieblingsbaum im Bergpark Wilhelmshöhe lässt sich nicht so einfach beantworten, denn da gibt es zahlreiche. Schließlich habe ich mich für eines der selteneren Exemplare entschieden, welches sich nördlich des Höllenteiches an einer großen Wegkreuzung befindet: eine Süntel-Buche, mit tief herabhängendem Geäst, so dass man den Stamm kaum sieht.

Im Baumführer der MHK unter der Nr. 403 aufgeführt, handelt es sich um eine Form der heimischen Rot-Buche. Ihre bizarr gedreht wachsenden Äste sowie der knorrige Stamm haben ihr im Altdeutschen auch den Namen Gespenster- oder Schlangen-Buche eingebracht. Diese besondere Wuchsform ist laut Baumführer erblich; wie sie entstehen konnte, ist jedoch ungeklärt. Es gibt im Kasseler Bergpark noch zwei weitere Süntel-Buchen; eine befindet sich beim sogenannten Hexenhäuschen, Nr. 449a, sowie an dem kleinen Fußweg, der in westlicher Richtung von der Tulpenallee abgeht, Nr. 479.

Die Bezeichnung „Süntel“ geht gemäß Baumführer der MHK auf den „Fundort im gleichnamigen Weser- Bergland zurück.“ Da Süntel-Buchen, vermutlich wegen ihrer Wuchsform, keinen forstwirtschaftlichen Nutzen haben, ist diese Art heute beinahe ausgestorben; bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde „der größte Bestand dieser seltenen Baumart bei Hameln gerodet.“ Umso wichtiger sind historische Parkanlagen wie die Wilhelmshöhe, um zum Erhalt solch seltener Gehölze beizutragen.

Mich hat die Süntel-Buche in der Nähe des Höllenteiches mit ihren bis zum Boden reichenden Zweigen und wulstigen Verwachsungen im Stamm zu der Geschichte „Der Fremde“ angeregt, im Buch „Sagenhafte Wilhelmshöhe“. Der Stamm teilt sich in zwei mächtige Äste, die sich wie Arme nach oben recken, übersäht von Beulen. Ein gespensterhaftes Wesen scheint diesem Baum inne zu wohnen; möglicherweise ist es der Teufel aus „Der Fremde“ persönlich, der voller Wut seine kräftigen Arme in die Höhe reckt, weil er auf die kluge List einer Frau hereingefallen ist. Vielleicht verkörpert er aber auch mehrere geheimnisvolle Gestalten, die ihre Geschichten erst dann preisgeben, wenn man sich unter das wirre Dach aus Zweigen stellt und mit den Händen die Rinde der Buche berührt. Probieren Sie es doch mal aus!

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