Oberharzer Wasserwirtschaft

Nach der Mittagspause am „Polsterberger Hubhaus“ bei Clausthal-Zellerfeld trafen wir uns mit Herrn Christian Bartsch, Dipl.-Forstwirt aus Braunlage im Harz und Betreiber der „Grube Samson“ in St. Andreasberg. Ein längerer Weg zum eigentlichen Geschehen, nämlich zum Hirschlerteich, einem der über und hintereinander liegenden Teiche der Oberharzer Wasserwirtschaft, gab Gelegenheit, mit Herrn Barsch über den offensichtlich schlechten Zustand der Nadelgehölze im Harz zu sprechen.

Während wir auf einem Damm an einem der vielen Gräben des Wassersystems entlang gingen, fielen einerseits die Baumschäden, andererseits auch der noch weitgehend niedrige, aber außerordentlich vielfältige Aufwuchs unterschiedlicher Baumarten auf. Herr Barsch, in seinen jüngeren Jahren nach eigenem Bekunden heftiger Kämpfer gegen das Waldsterben, überraschte uns mit der Aussage „Der Wald stirbt nicht“. Hoch problematisch und wissenschaftlich noch nicht erforscht, sei aber die alles entscheidende Frage, wie künftig der Wald mit den Herausforderungen des Klimawandels fertig wird. Dass schnell wachsende und schnellen Profit versprechende Fichten-Monokulturen durch andere Arten ersetzt werden müssen, sei mittlerweile nichts Neues, es sei aber eine Frage von trial and error, ob neue Anpflanzungen sich auch noch in hundert Jahren als richtige Entscheidung herausstellen werden.

Herr Barsch stellte es als den Idealfall dar, ohne regelnde menschliche Eingriffe in Nationalparks die Natur selbst entscheiden zu lassen, welche Pflanzen- und Baumarten sich den Folgen des Klimawandels am besten anpassen. Dass unter ökonomischen Gesichtspunkten die Nationalparkidee eine nur untergeordnete Bedeutung haben könne, liege auf der Hand: Die Interessen der Waldbesitzer und der Wirtschaft  allgemein können nicht ignoriert werden. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass dieser Aspekt der Nachmittagsveranstaltung bei den Mitreisenden mindestens ebenso viel Interesse hervorrief wie das, was wir danach zum „Oberharzer Wasserregal“ hörten und sahen.

Das eingangs erwähnte „Polsterberger Hubhaus“ wurde vor fast 300 Jahren errichtet, um über ein auf einem Damm gebautes hölzernes Leitungssystem Wasser der Clausthaler Hochfläche für die dortigen Wasserräder der Erzgruben und Pochwerke zuzuführen. Unter dem Hubhaus war ein tiefer Schacht niedergebracht worden, wo Wasser mittels einer sog. „Pumpenkunst“ um 18 m gehoben und sodann über den Graben, an dem wir entlang gegangen waren, dem 588 m hoch gelegenen Hirschlerteich zugeführt wurde. Den für den Hubvorgang erforderlichen Antrieb lieferten seinerzeit überdimensional große Wasserräder, die zu Recht als „Wasserkunst“ bezeichnet wurden. Mit Hilfe dieser sog. „Kunst- und Kehrräder“ wurden Pumpen betrieben, die wiederum z. B. Erztonnen bewegten oder Bergleute unter Tage und wieder hinauf transportierten.

Vor ca. 800 Jahrenbegannen Zisterziensermönche mit dem Bau des Wassersystems. Seit dem 16. Jhdt. wurde an diesem System weitergearbeitet. Wasser wurde auf diesem Wege nach unten transportiert, um Energie zu erzeugen; es musste aber auch unter Tage anfallendes Wasser abtransportiert werden, weil andernfalls die Kumpel dort nicht hätten arbeiten können. Ohne dieses größte Energiesystem der vorindustriellen Zeit wäre der Betrieb des seinerzeit tiefsten Bergwerks der Welt und seine Bedeutung als größter Silberproduzent Europas undenkbar gewesen. Im Jahr 2010 wurde die „Oberharzer Wasserwirschaft“ zum UNESCO-Welterbe erklärt. Während das Gesamtsystem generell unter Denkmalschutz steht, dient es teilweise noch heute der öffentlichen Wasserversorgung.

Text: Jürgen Krakowsky

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